Computermuseum: DFUe – Datenfernübertragung

Computer-Modem
Computer-Modem zur Datenübertragung

Seit ungefähr 1985 bin ich aktiv in der IT dabei.
Zuvor durfte ich bei einem Onkel ab und zu Computer bestaunen.
Die antiken Dinge auf dem obigen Foto sind vielleicht nicht jedem geläufig:
Das orangene Teil ist ein Wählscheibentelefon!
Damit dürften heutige Kids einige Probleme haben, überhaupt eine Nummer anzurufen.
Das Schwarze ist ein Akustikkoppler oder Datenknochen – Die Schnittstelle zum Datenfernübertragungsnetz, manchmal auch ins Internet.
Aber Achtung – das WWW gab es damals noch nicht!
Google und Facebook waren noch nicht geboren.
Die Tastatur ist eine IBM Model M – wer die kennt, kann über die heutigen Mechas nur lächeln.
Und im Hintergrund sieht man Disketten – 3,5″ und 5,25″ – Datengräber aus der Kreidezeit der IT.

Als ich mit der Datenübertragung anfing, erfolgte gerade der Übergang vom Akustikkoppler zum Modem. Damals hatte die Deutsche Bundespost noch das Postmonopol. Telefone waren meistens noch fest angeschlossen, nicht einfach eingesteckt.
Die meisten Telefone waren Mietgeräte und kosteten zwischen 3,- DM und 10,- DM im Monat.
Vor einiger Zeit, damals noch aktiv im IT-Service, habe ich bei einem Kunden mitbekommen, dass er immer noch monatlich Gebühren für ein Telefon auf seiner Rechnung hatte, das es schon lange nicht mehr gab.
Das ist ein tolles Geschäft, wenn ein Telefon für 50 Jahre monatlich 5,- Euro (nach Umstellung D-Mark auf Euro) einbringt.

Akustikkoppler und Modem waren damals irrsinnig teuer und im Vergleich zu heute unglaublich langsam.
Wer so etwas besaß, war für die normale Bevölkerung ein Freak, Nerd oder zumindest irgendwie verdächtig.

Computermuseum: DFUe - Datenfernübertragung

Akustikkoppler – der Beginn der Datenfernübertragung

Für Modem benötigte man eine eigene Anschlussdose (TAE-Dose), aber so einfach war das damals nicht, denn am Anfang durfte man ausschließlich offizielle Postmodem anschließen. Alles andere war streng verboten und total illegal!
Akustikkoppler hat man dagegen einfach mit dem Telefonhörer verbunden.
Natürlich mussten auch diese Geräte eine offizielle Postzulassung besitzen, alles andere war illegal und mit hohen Strafen belegt. Die Post hatte damals den Fortschritt massiv behindert.
Das hielt aber viele Menschen nicht davon ab, selbst gebaute oder importierte Geräte zu verwenden.

Die Akustikkoppler waren damals zwar auch sehr selten und sehr teuer, aber flexibler als Modem.
Akustikkoppler sind Geräte zur Übertragung digitaler (Computer-)Daten über damals noch analoge Telefonleitungen.

Akustikkoppler

Bit, Bytes und Baud
Die ersten Geräte hatten Datenraten von 300 Baud oder 1200Baud.
Baud ist die Symbolrate in der Nachrichtentechnik. Bei 300 Baud konnten also 300 Symbole pro Sekunden übertragen werden. Nicht zu verwechseln mit der Bitrate.
Je nach Codierung und Komprimierung werden unterschiedlich viele Bit pro Baud übertragen.
Wenn ein Signal im Zeittakt immer Ein/Aus übertragen wird, dann ist ein Schritt = 1 Baud = 1 Bit (o oder 1).
Da die Übertragung als Frequenz erfolgt, konnten natürlich schon damals mehrere verschiedene Töne übertragen werden. Außerdem gab es schon Kompressionsverfahren für die Daten.
Damit waren pro Baud dann teilweise mehrere Bit möglich.
Für die Fehlerkorrektur wurden dann aber wieder Zusatz-Signale benötigt und je komplexer die Signalverarbeitung, desto mehr Computerpower wurde für die Modulierung und Demodulierung, also Umwandlung von Digital nach Analog und umgekehrt benötigt. Rechenkapazität war damals allerdings noch ziemlich knapp.
Von der technischen Bezeichnung für das Umwandeln kommt übrigens auch der Name der Geräte:
Modem
In der Szene wurden die Akustikkoppler auch Datenknochen genannt.

Um 1980 lag die Geschwindigkeit der Geräte bei ungefähr 300Bit/s bis 2400Bit/s.
Modem schafften später bis 33.600Bit/s, danach erfolgte die Datenübertragung immer mehr mit ISDN (64kbit/s). Als ich 1998 nach Besigheim zog, erhielt ich den 2. DSL-Anschluss im Ort!
Der hatte neben 2 ISDN-Kanälen für die Datenübertragung die irrsinnige Geschwindigkeit von 768 kbit/s.
In 2021 hat unser Internetanschluss eine Übertragungsrate von 1GBit/s, das entspricht 1000MBit/s = 1.000.000.000 Bit/s und ist damit um Faktor 3.333.333 schneller, als ein Akustikkoppler – in Worten Drei Millionen Mal! Wow!

Verbindungssuche

Computermuseum: DFUe - Datenfernübertragung

Statt den heutigen Flatrates mit dauerhafter Internetverbindung musste man sich damals erst mit einem anderen Computer verbinden.
Dazu musste man natürlich dessen Telefonnummer kennen.
Dann wählte man die Nummer mit dem Telefon – anfangs tatsächlich noch mit Wählscheiben-Geräten!
Wenn sich am anderen Ende ein Computer meldete, dann legte man schnell den Hörer auf den Akustikkoppler. Der war flexibel und passte universell zu den meisten Telefonhörern.
Die Computer erkannten sich am Pfeifen der Gegenstelle und bauten eine digitale Verbindung auf.
Kurz darauf erschienen bei einem erfolgreichen Connect die ersten Zeichen auf dem Bildschirm.
Nach dem Login konnte es dann losgehen, in der spannenden Welt des DFUe.
Die Geräte waren allerdings anfällig gegen Störgeräusche und davon gab es in der damaligen Welt der Post jede Menge. Knackser und Rauschen waren allgegenwärtig.
Zu laut reden durfte man nebenher nicht und wenn jemand das parallel geschaltete Telefon abnahm, war die Verbindung weg. Aber da die meisten sowieso nur ein Telefon hatten, kam das selten vor.
Fest angeschlossene Modem waren da schon besser, denn die Umwandlung erfolgte direkt elektronisch im Gerät und nicht über Lautsprecher und Mikrofone. Außerdem fiel das umständliche Wählen von Hand und das Abnehmen/Auflegen des Hörers weg. Die Geräte konnten auch bereits vollautomatisch und zeitgesteuert Verbindungen aufbauen.

Aber Akustikkoppler sind einfach cool, weil man sieht, was vor sich geht.
Modems waren da schon eher eine Black-Box.

Einige „Hacker“ bastelten sich für ihre Akustikkoppler mechanische Vorrichtungen, die den Hörer automatisch auf den Datenknochen legen und so ebenfalls quasi automatisch Verbindungen aufbauen konnten.

Solange man online war, war man allerdings nicht erreichbar.
Flatrates gab es damals auch noch nicht. Die Gebühren tickerten erbarmungslos – meistens jedenfalls.

Teilweise war man damals weltweit unterwegs.
Das war schon sehr spannend und irgendwie fühlte man sich wie ein Hacker in einem Film.

WarGames – Kriegsspiele!

Wargames


Einer meiner absoluten Lieblingsfilme, in denen ein Akustikkoppler vorkommt, ist Wargames – Kriegsspiele.
Leider ist der Film als Blu-ray weitgehend vergriffen und kaum noch erhältlich.
Aber eine nostalgische Bereicherung für jedes Heimkino.

In WarGames hackt sich ein Teenager auf der Suche nach Computerspielen versehentlich in das Verteidigungssystem der USA. Während er meint, er würde lediglich das Spiel „Weltweiter Thermonuklearer Krieg“ spielen, will der Computer mit Namen WOPR (War Operation Plan Response) den Krieg real ausführen. Das führt die kalten Krieger in ziemliche Aufregung, haben sie doch kurz zuvor die Atomraketen direkt mit dem Computer verbunden, da die Menschen zu unzuverlässig waren.
Während der Junge also spielt, aktiviert der Computer die echten Atomraketen.
Kann der junge Hacker mit seiner Freundin die Welt vor dem Untergang retten?

Parallelen mit heutigen Neuland-Besuchern sind dabei auch nach über 40 Jahren noch erkennbar:
– Entscheidungsträger haben Null Ahnung vom Neuland (Internet)
– Sinnfrei einfach alles ans Internet anschließen, weil das modern ist. Selbst systemkritische Infrastruktur.
– Ohne Nachdenken einem Computer vertrauen
– Denken, niemand könne die eigenen Systeme hacken.
– Pfuschen (Leitung nach draussen „vergessen“, alte Zugänge „vergessen“)
– Die Leute, die sich wirklich auskennen, werden nicht gefragt.

Heute heißt es „alles in die Cloud!
Anscheinend hat die Welt seit Erscheinen von WarGames in 1983 überhaupt nichts dazugelernt.

Mein Akustikkoppler

Den Akustikkoppler auf den Fotos habe ich extra für mein Museum auf einem Internetflohmarkt gekauft.
Vor 40 Jahren wusste ich noch nicht, dass ich einmal ein virtuelles Computermuseum basteln will.
Es handelt sich um ein Gerät der Firma hitrans.
Mögliche Baudraten waren 300 Baud 1200/300 Baud oder 1200/75Baud. Das Gerät wurde aus Batterien mit Energie versorgt und über ein 25polige Seriellkabel an den Computer angeschlossen. Für die Kommunikation verwendete man überwiegend sogenannte Terminalprogramme. Grafische Darstellung war damals noch nicht üblich. Die übliche Anzeige war Text mit 80×25 Zeichen. Anfangs monochrom, später auch farbig.

Hitrans Akustikkoppler
Hitrans Akustikkoppler – Bitte in stabiler Seitenlage betreiben.

Heutzutage kann man sich kaum noch vorstellen, dass damals aktuelle High-Tech-Geräte „made in Germany“ waren.



Mailboxen
Die DFUe-Szene entwickelte sich recht schnell und es entstanden bald Mailboxen, über die man mit Gleichgesinnten kommunizieren konnte.
Die bekanntesten Systeme waren im Fidonet zusammengeschlossen, es gab aber auch andere (Maus-Netz oder in den Unis das Usenet).
Chat (Online-Kommunikation), Mails, Foren und auch Filesharing waren damals schon möglich.
Wir haben damals die 42er-Box Ludwigsburg betrieben.
Das war eine tolle Zeit.

Bericht aus der LKZ aus 1994 über unsere Mailbox „Team 42“

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