Wasserstoff – das ewige Zukunftskonzept

Wasserstoff - das ewige Zukunftskonzept

Elektroautos sind böse. Batterien sind umweltschädlich.
So steht es in allen Medien. Und es ist sogar etwas Wahrheit dabei.

Kein Auto ist wirklich umweltfreundlich.
Für Herstellung und Betrieb von Fahrzeugen werden jede Menge Energie und Ressourcen benötigt. Das gilt aber für alle Fahrzeuge!

Leider unterschlagen die Medien die Information daß Verbrennerfahrzeuge noch viel umweltschädlicher sind als Elektrofahrzeuge.

Das immer wieder aufblubbernde Gerücht daß Wasserstoff das Allheilmittel der Zukunft sei wird leider immer wieder von ahnungslosen Zeitgenossen ohne Nachdenken nachgeplappert.

Ist ein Auto mit Wasserstoffantrieb wirklich umweltfreundlicher als ein Auto mit Batterieantrieb?

Zuerst mal eine Klärung:
Die Frage enthält bereits 2 Inhaltliche Fehler:
es gibt weder Autos mit Wasserstoffantrieb noch mit Batterieantrieb. Wasserstoff ist ein Energieträger und Batterien sind Energiespeicher.
In beiden Fällen handelt es sich um Elektroautos (Wasserstoff kann natürlich auch direkt im Motor verbrannt werden, in der Regel meint man aber Fahrzeuge mit Brennstoffzellen die aus Wasserstoff elektrische Energie erzeugen)
Beide Fahrzeugarten sind daher Elektrofahrzeuge, nur die benötigte Energie wird unterschiedlich gespeichert.
Da Brennstoffzellen kompliziert und aufwändig sind ist das System meistens klein ausgelegt und reicht in der Regel NICHT für den durchgehenden direkten Antrieb.
Für Leistungsspitzen wird Strom auch hier in Batterien zwischengespeichert. Nur sind diese Batterien erheblich kleiner als bei einem reinen BEV (Battery-Electric-Vehicle = Elektroauto mit Batterie (eigentlich Akku). Wasserstoff-Fahrzeuge sind genau genommen auch Elektrofahrzeuge, nur eben mit kleinem Akku und einem Range-Extender der mit Wasserstoff betrieben wird (könnte man alternativ auch mit Gas oder Benzin betreiben, wie z.B. beim BMW i3 (REX).

Wasserstoff - das ewige Zukunftskonzept

Elektroautos sind der Untergang (?)

Seltsamerweise liest man immer daß „wenn alle jetzt sofort ein Elektroauto hätten“ unsere Stromnetze zusammenbrechen würden.
Niemand berücksichtigt, daß diese Autos erst mal produziert und verkauft werden müssen. Das ist ein langsamer Prozess der sich über viele Jahre hinzieht. Bis es über 50% Elektrofahrzeuge gibt kann man auch das Netz ausbauen und die Kapazität anpassen – wenn man es denn auch politisch will.
Wenn alle Menschen bei Aufkommen des iPhones sofort von Mobiltelefon auf Smartphone umgestiegen wären, das wäre dem Netz auch nicht gut bekommen. Aber über die Jahre wurde es ausgebaut. Genauso ist das auch mit der Energiewende möglich.

Selbst bekannte Fernseh-Professoren entblöden sich nicht, irrsinnige Behauptungen aufzustellen und das Volk plappert einfach nach.
Ein Beispiel:
Da wird in einem Film im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen davon gefaselt daß in „deutschen Elektrofahrzeugen“ durchschnittlich Akkus mit 100kWh verbaut werden.
Zum aktuellen Zeitpunkt (7.2019) gibt es aber kein einziges DEUTSCHES Elektroauto mit 100kWh-Akku. Die Sendung erzählt Mist!

Der BMW i3 hat in der aktuellen Version einen 40kWh-Akku und selbst der neue Audi-Panzer hat in der größten Version nur 85kWh. Viel mehr deutsche Elektroautos gibt es am Markt nicht.
Die größten Elektrofahrzeuge ausländischer Hersteller liegen zwischen 64kWh (Hyundai Kona) bis 100kWh beim Tesla in der größten Version. Im Schnitt sind wir aber noch bei deutlich unter 50kWh.

Im gleichen Film heisst es dann daß die Lichter ausgehen wenn eine Million Elektroautos gleichzeitig mit 350kW laden wollen.
350kW kann derzeit kein einziges Elektroauto dauerhaft laden und die Fahrzeuge die das als kurzzeitige Spitzenleistung können kann man an einer Hand abzählen. Akkus kleiner 50kWh wären bei dieser Ladeleistung in kürzester Zeit voll wenn sie nicht vorher platzen.
Bei einem Verbrauch von 15kWh pro 100km käme man bei einer Stunde Laden mit 350kW 2300km weit. Das ist mehr als einmal quer durch Deutschland und zurück. Abgesehen vom technischen Schwachsinn (dafür bräuchte man einen 350kWh-Akku der die Energie auch in der Zeit aufnehmen kann) ist das einfach nur Sensations-Hascherei.
90% der Zeit stehen Autos nur rum, sei es zuhause oder bei der Arbeit.
Würde man vernünftigerweise Parkhäuser oder Firmenparkplätze mit Steckdosen ausstatten, dann könnte man die Autos problemlos während der Arbeitszeit oder über Nacht ausreichend aufladen und die Belastung wäre kaum höher als mit einem Haarföhn. Ausserdem könnte man mit entsprechend smarter Technik die Autos für die Entlastung der Netze verwenden. 1000 (oder mehr) Elektrofahrzeuge auf den Firmenparkplätzen von Bosch, Daimler oder sonstigen großen Betrieben überdacht mit Photovoltaik würden in der Summe die Kapazität eines Kraftwerkes ergeben. Bei zuviel Strom kann man die Akkus laden, bei zuwenig Strom entladen. Das könnte Netzschwankungen problemlos ausgleichen. Man muss es nur wollen und machen.
Den benötigten Füllstand des Akkus bei der Abfahrt könnte jeder per App angeben, die meisten Zeitgenossen daddeln ja sowieso dauernd am Handy. Für die Nutzung des Akkus als Puffer könnte man Anreize (finanziell oder sonst irgendwie) schaffen, bei Firmenwagen wäre es noch einfacher.

Wasserstoff fällt nicht vom Himmel.

Als Allheilmittel wird immer der Wasserstoff-Antrieb ins Spiel gebracht.
Wobei wie bereits geschrieben das Fahrzeug nicht mit Wasserstoff angetrieben wird. Der Wasserstoff speichert nur die benötigte Energie, diese wird in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, mit dem Strom wird dann ein Elektromotor angetrieben. Als Puffer kommt auch hier ein Akku ins Spiel, nur eben deutlich kleiner. Dafür ist das Gesamtkonzept um einiges komplizierter. Dazu später mehr.

Wasserstoff ist sehr reaktionsfreudig. Daher kommt er in der Natur in reiner Form auch nicht vor. Man kann ihn nicht einfach wie Öl aus dem Boden pumpen und auch das Speichern ist extrem schwer da er gerne mit anderen Stoffen reagiert oder sich einfach verflüchtigt.

Immerhin – Wasserstoff führt im Schadensfall maximal zur Explosion und nicht zu weiträumigen und langjährigen Umweltschäden wie bei Öl, Benzin oder Diesel.

Wasserstoff muss aufwändig produziert werden.
Und dafür benötigt man in der Regel elektrischen Strom.
Der Wirkungsgrad von der Wasserstoff-Erzeugung über die Speicherung, Transport, Lagerung, Betankung und wieder Umwandlung zum Antrieb ist dabei irrsinnig gering.

Bereits hier sieht man den Widerspruch:
Für reine Elektrofahrzeuge ist angeblich nicht genug Strom vorhanden.
Dieselbe Menge Fahrzeuge betrieben mit Wasserstoff sind aber angeblich die Alternative. Bei einer 3x geringeren Energie-Effizienz bräuchte man aber 3x soviel Energie. Woher soll die auf einmal kommen? Fällt die vom Himmel?

Wasserstoff muss transportiert werden.

Das Stromnetz erlaubt heutzutage, dass man ein Elektroauto fast überall aufladen kann. Es reicht eine einfache Steckdose.
Wasserstoff kann man aber nicht aus der Steckdose zapfen.
Dafür benötigt man Tankstellen. Und die müssen beliefert werden.
D.h. Wasserstoff muss mit Tanklastern transportiert werden.
Diese Tanklaster benötigen ebenfalls Energie, Wasserstoff muss unter Druck und gekühlt transportiert werden, das Umpumpen zwischen den Tanks bei der Herstellung, beim Transport, bei der Tankstelle und ins Auto benötigen ebenfalls Unmengen Energie.

Auch wenn es heißt, Wasserstoff-Tanks in den Autos wären sicher – wie sieht es mit den Tanklastern aus, die riesige Tanks mit flüssigem Wasserstoff über die Autobahn kutschieren? Gesteuert von Fahrern die nebenbei mit dem Handy daddeln, vielleicht nicht ganz nüchtern sind oder gerade die Fußnägel schneiden, wenn vor ihnen ein Stauende auftaucht. (Alles schon passiert, mit Wasserstoff wird das sicher interessant).

Wasserstofftankstellen sind aufwändig.

Die Betankung eines Wasserstoff-Fahrzeuges erfolgt mit 700 Bar!
Dazu muss das Gas komprimiert werden. Das kostet viel Energie und Zeit. Ein Durchsatz wie bei einer herkömmlichen Tankstelle ist derzeit nicht möglich. Bei einigen Tankstellen in der Nähe zu Wohnbebauung musste der Betrieb zeitlich eingeschränkt werden weil die Systeme zu laut sind! Und ganz ehrlich – wer wollte in der Nähe einer Wasserstoff-Tankstelle wohnen?

Tankrüssel mit 700Bar mögen im Probebetrieb problemlos laufen. Aber wie sieht es aus wenn Hinz und Kunz an die Tankstelle fahren? Ab und an fällt vielleicht mal der Schlauch auf den Boden. Eine kleine Delle am Zapfhahn bei 700Bar Druck? Sicher kein Problem, das hat man alles im Griff.

Eine Bombe unter dem Rücksitz?

Bei Elektrofahrzeugen liest man immer wieder Horrorgeschichten über Batteriebrände. Dass es prozentual deutlich mehr Brände von Verbrennerfahrzeugen (da passt die Bezeichnung) gibt, wird unterschlagen.
Aber wie sieht es bei Wasserstoff-Fahrzeugen aus?
Mit einem Tank mit 700Bar Druck? Alles sicher – sagen die Hersteller. Das hat aber Boeing bei der 737-800 Max auch behauptet. Ich sehe das etwas kritischer. Bisher konnte mich noch niemand überzeugen, dass so ein Tank wartungsfrei über ein Fahrzeugleben von 10 bis 20 Jahren absolut sicher ist.

Wasserstoff kann man mit Überschuss-Strom erzeugen.

immer wieder kommt das Argument, man könne Wasserstoff mit Überschuss-Strom erzeugen, daher wäre das praktisch ein Abfallprodukt und damit viel besser als alles andere.
Für BEV reicht es nicht wegen Strommangel, aber für die Wasserstofferzeugung nimmt man Überschuss-Strom? Seltsame Argumentation.

Tatsächlich stehen im Norden oft Windräder still, weil zu viel Windstrom produziert wird und das Netz das nicht aufnehmen kann. Power to Gas oder Power to Liquid ist eine tolle Sache. Nur könnte man denselben Strom auch zur Ladung von Elektrofahrzeugen verwenden. Oder man speist den erzeugten Wasserstoff ins Erdgasnetz ein, evtl. vorher noch entsprechend aufbereitet und in Methan umgewandelt.
Jetzt kommt sicher das Argument, dass man einen Netzausbau benötigt, um den Strom in den Süden zu transportieren.
Klar, in Norddeutschland lädt man keine Elektroautos und der Wasserstoff springt ohne Übertragungsmedium von Hamburg nach München.
Den Wasserstoff müsste man natürlich auch erst von Nord nach Süd transportieren – mit hohem Energieverlust und mit erheblicher Belastung der Verkehrsinfrastruktur.
Denn der Transport würde vermutlich mit Tanklastern durchgeführt. Leider kann ein Laster vergleichbar deutlich weniger Wasserstoff transportieren als Benzin oder Diesel. Für die Umstellung auf Wasserstoff müssten also deutlich mehr Tanklaster auf die ohnehin verstopften Straßen.

Wasserstoff ist interessant als Beimischung

Meine Meinung:
Wasserstoff ist interessant als Beimischung, z.B. im Erdgas-Netz (leider kann man nicht beliebig viel beimischen). Im Verkehr gibt es sicher sinnvolle Anwendungen. In LKWs bei denen die Tankgröße im Verhältnis zum Fahrzeug nicht besonders ins Gewicht fällt. Bei der Bahn auf Strecken die nicht elektrifiziert sind oder als Alternative zu Diesel-Lokomotiven.
Ebenso sind Busse mit Wasserstoffantrieb sicher eine Überlegung wert.
Für stationäre Anwendungen und als Energiespeicher (Überschuss-Energie) ist Wasserstoff hochinteressant.

Als Alternative zum Elektrofahrzeug im Individualverkehr sehe ich Wasserstoff aber nicht.

Die Reichweite von BEV-Fahrzeugen liegt bei aktuellen Modellen bei 400km im Sommer/300km im Winter. Bis in 5 Jahren gibt es sicher Fahrzeuge mit der doppelten Reichweite (wenn man das überhaupt benötigt). Mit Wasserstoff kommt man auch nicht weiter, ist aber unflexibler weil es kaum Tankstellen gibt.
Gut, das kann man ausbauen, das geht aber bei Elektroladesäulen auch. Und die kann man an jeden Parkplatz stellen, da benötigt man keine riesige Fläche für eine Tankstelle.

Einzige Gründe für Wasserstoff bei PKWs:
1. Die Konzerne wollen die Verbraucher weiter abhängig halten.
Das geht bei Strom aber nicht, den gibt es an jeder Ecke, mit einer Solaranlage kann man den Strom direkt vom Dach ernten.
Für Wasserstoff muss man wieder an die Tankstelle. Mit täglich wechselndem Preis und bei voller Abhängigkeit vom Großkapital.

2. Der Serviceaufwand ist höher

Während reine Elektrofahrzeuge fast wartungsfrei sind und den Werkstätten kaum Einkünfte erzeugen müsste man bei einem Wasserstoff-Fahrzeug genau wie bei Verbrennerfahrzeugen viel öfter in die Werkstatt. Ersatzteile und Service würden die Branche am Leben erhalten. Für Elektrofahrzeuge mit Batteriespeicher gibt es aber deutlich zu viele Werkstätten. Ein Manager eines Autoherstellers hat mal gesagt: „Elektrofahrzeuge sind schlecht, weil sie weniger Wartungsintensiv sind und damit Arbeitsplätze vernichten.“
Aber ist das wirklich sinnvoll? Künstlich aufwändige und komplizierte Techniken am Leben erhalten, nur um Arbeitsplätze zu sichern?
Das ist ähnlich wie damals bei der Bahn, als auf den Elektro- und Dieselzügen noch Heizer mitfuhren, nur weil man nicht wusste, was man alternativ mit denen anstellen sollte.

Vermutlich ist alles ganz anders als ich geschrieben habe.
Das wird die Zeit zeigen. Bis dahin fahre ich meinen Hyundai Kona Elektro und freue mich jedes Mal, wenn ich an einer Tankstelle VORBEI fahre.

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